Blick von der Watergate Spreeterrasse

Farewell Watergate …

Das Watergate schließt – und mit ihm bricht eine tragende Säule der Berliner Clubkultur weg. Nach 22 Jahren wird die Institution durch zu hohe Mietkosten und ein schwindendes Publikum in die Knie gezwungen. Wehmütig schweife ich in die 2000er zurück, als das Watergate (meiner Meinung nach) seine Blütezeit erlebte und einer der richtungsweisenden Technoclubs war. Oder wie sich jetzt der eine oder die andere denken mag: Als es noch cool war. Trotzdem ist es ein herber Verlust.

Kurz vorab: Das Watergate ist nicht der einzige Club, der schließen muss

Clubsterben ist beileibe kein neues Thema, aber als das Watergate im September seine Schließung ankündigte, wurde mir schlecht, denn gerade einmal vier Wochen zuvor hatte die Wilde Renate ihr Aus für Ende 2025 bekanntgegeben. Wir reden hier nicht von irgendwelchen x-beliebigen Läden, sondern von zwei der populärsten in Berlin, die seit vielen Jahren das Gesicht der Clublandschaft prägen. Einer der Hauptgründe ist die explodierende Miete. Und dabei haben sie eines gemein: den Vermieter, das wohlbekannte Spekulanten-Schreckgespenst Padofi… äh, Padovicz. Bei der Renate kommt die Bedrohung durch den Ausbau der Stadtautobahn A100 dazu (ein Thema, dem ich mich hier widme).

Es ist der sich ewig wiederholende Leidgesang der Kulturstätten und alternativen Orte (längst nicht nur in der Hauptstadt). Neben unbezahlbaren Mieten setzten ihnen Spätfolgen von Corona und die Inflation das sprichwörtliche Messer auf die Brust. Die Eintrittspreise haben sich mittlerweile bei +/- 20 Euro eingependelt und an der Bar wird man ebenfalls entsprechend zur Kasse gebeten, ein kleiner Sekt auf Eis kostet gerne mal sechs bis sieben Euro. Clubben ist ein Luxus geworden, den viele nicht mehr jedes Wochenende stämmen können (und wollen). Laut einer kürzlich veröffentlichten Pressemeldung der Berliner Clubcommission denkt die Hälfte aller Berliner Clubs über eine Schließung im nächsten Jahr nach. Uff …

Dieses jahrelange, qualvolle Ausbluten des (sub)kulturellen Berlins ist schwer zu ertragen. Und was macht Berlin dagegen? Nix. Stattdessen reicht es …xxx (zensiert)... wie Amazon und Tesla die Hand und befördert auch noch solche Ausgeburten der Hölle wie den Mercedes-, ach nein, nun ja „Uber-Platz“ in Friedrichshain – nur, um ein aktuelles Beispiel zu nennen. Wie kann man es nur zulassen, und auch noch gut finden, dass Konzerne solch eine Macht über den öffentlichen Raum einer Stadt bekommen?!?!

(… einatmen … ausatmen …)   

Zurück zum Watergate.

Ich war 2004 oder 2005 das erste Mal im Watergate und war einfach nur geflasht. Der Sound, die exzessiven Partys – und dazu dieser Ausblick! Die Fensterfronten beider Etagen sind verglast und bieten eine einmalige Perspektive auf das für mich faszinierendste Wahrzeichen Berlins: die Oberbaumbrücke. Quasi neben den Brückenpfeilern chillte man auf der schwimmenden Terrasse auf der Spree und konnte den Passanten zuwinken (ob man das wollte, steht auf einem anderen Blatt).   

Nachts leuchtete das riesige Logo von Universal Music in bunten Farben, als würde es dies nur für die Gäste des Watergates tun. Stundenlang starrte ich es an und verliebte mich immer mehr in diese Stadt. Das Line-up des Clubs war und ist bis zu seinem Ende an Silvester 2024 amtlich und seine Räumlichkeiten (Stichwort LED-Decke!) sind einzigartig. Ich liebte diesen Laden.

An der Schwelle zu den Zehnerjahren intensivierte sich der Techno-Easy-Jet und Wochenendausflügler aus ganz Europa fluteten den Waterfloor. Die Betreiber des Watergates empfingen sie mit offenen Armen und machten ihren Club zum Touristenmagneten. Die neuen Massen verwässerten den Vibe und meine Nächte im Watergate wurden seltener. Mich zog es auf Partys unter dem Radar der Touris. Man vernetzte sich über die „Restrealität“ – ein Internetforum, zu dem man seinerzeit nur Zugang bekam, wenn ein Mitglied für einen bürgte. In dieser geschlossenen Community waren nur Freunde von Freunden und Freundesfreunden.  

Im Jahr 2024 leben wir in einer anderen Welt.

Diese Ära ist eine weit entfernte Erinnerung, die mit dem Verschwinden der Orte von damals – wie dem Watergate – ebenfalls zu verblassen droht. Allein deshalb ist das Ende des Clubs traurig. Aber auch, weil Berlin eine weitere Kulturstätte mit Charakter verliert, die schwer ersetzt werden kann.

Als ich Anfang November auf einer der „Farewell Watergate“-Partys bei Chris Liebing (ein Held meiner ersten Technojahre) war und auf dem Waterfloor von der Theke aus in Richtung Spree schaute, blitzten plötzlich Bilder von damals wieder auf. Ich sah asymmetrisch geschnittene Frisuren und dünne Schals, roch den schweren Teppich aus Zigarettenqualm und hörte sogar für ein paar Takte den trockenen Minimal, der damals so typisch war. Dieser Flashback machte mir eines bewusst: Mit dem Watergate verbinde ich wunderschöne Erinnerungen und das aufregende Gefühl meiner Berlinbesuche, bevor ich 2008 nach Friedrichshain zog. Die Nächte dort haben definitiv zu dieser Entscheidung beigetragen. Dieser Erinnerungsschub an der Theke löste mein Verlangen nach einem tieferen Sprung in diese Zeit aus …         

Die Berliner Technoszene in den Nullerjahren

Nach den anarchischen Neunzigern wandelte sich die Technoszene der Hauptstadt zu Beginn des neuen Jahrtausends. Die Minimal-Welle hielt Einzug und lockte immer mehr Technofans aus dem ganzen Land in die sprießende Clublandschaft. In dieser Zeit eröffnete neben dem Watergate (2002), das Golden Gate (2002) und die Bar 25 (2003), außerdem entstand aus dem Ostgut das Berghain (2004) – nur, um jene zu nennen, die bis heute (mehr oder minder) überdauert haben.

Anfang der Nuller gab es noch viele Freiräume und Leerstand in Ostberlin und die Mieten waren unschlagbar günstig. Jedes Wochenende gab es illegale Partys oder Open Airs; was wo abging, erfuhr man über die Restrealität. Der Eintritt kostete zwischen null und acht Euro, ein Bier zwei und eine Wodka Mate unter fünf Euro. Clubhopping gehörte zum guten Ton und darüber hinaus war es völlig egal, ob du schwarz oder bunt gekleidet warst.

Die offiziellen Stellen schienen sich nicht sonderlich um die Clubszene zu scheren und Techno war noch kein Wirtschaftsfaktor für die Stadt. Kurzum: Es war nach wie vor eine großartige Zeit für das subkulturelle Berlin. Wir waren in unserer Bubble und der Rest der Stadt konnte uns gefühlt gar nix.  

Zwei Must-sees zum Eintauchen in diese Epoche: „Feiern“ und „Watergate X – The Movie“

Die Doku „Feiern“ aus dem Jahr 2006 hat den damaligen Vibe wirklich gut eingefangen und wurde sogar größtenteils im Watergate gedreht. In diesem Zeitdokument kommen neben Szenemenschen auch wichtige DJs und Lokalmatadoren zu Wort:

Wer noch etwas tiefer in die Geschichte des Watergates eintauchen möchte, dem empfehle ich den Film „Watergate X – The Movie“ aus dem Jahr 2012, der anlässlich des zehnten Clubjubiläums veröffentlicht wurde:

Trigger-Warnung: Das Anschauen der beiden Filme kann wehmütige Nostalgie auslösen 😉

Ein letztes Mal auf den Waterfloor!

Der Countdown bis zum Closing an Silvester läuft und ich kann jedem nur ans Herz legen, dem Watergate die letzte Ehre zu erweisen. Auch wenn man dem Club vielleicht längst den Rücken gekehrt hat – er hat seinen festen und verdienten Platz in der Geschichte des Berliner Technos.

Adieu Watergate, mit dir geht ein Stück Erinnerung an ein schönes Berlin. Nun bleibt abzuwarten, wie sich die Clublandschaft in den nächsten Jahren entwickeln wird.


P.S. Das offizielle Statement zur Schließung auf der Watergate-Webseite:

FAREWELL WATERGATE
22 Years and the end is near!

These are tough times for Berlin’s clubs, and since Covid the business hasn’t really picked up for many. Whether it’s high rents, war, inflation, rising costs, or simply a change in the nightlife dynamics of the next club generation and a shift in the relevance of club culture in general – the operation of a venue like Watergate, in such a prime location, with the financial pressure that comes with it, is increasingly becoming a balancing act with an uncertain future. The days when Berlin was flooded with club-loving visitors are over, at least for now, and the scene is fighting for survival.

With a heavy heart, we have decided to end our club operations at Watergate, located at the Oberbaumbrücke, at the end of the year and not to renew our lease. From an economic perspective and an honest assessment of the current situation for clubs in Berlin, we believe this is the only sensible and responsible decision for us.

Looking back, we’ve experienced and actively shaped exciting years of this scene, helping to put Berlin on the map as one of the top nightlife destinations in the world. Watergate has been at the forefront of the international club scene for 22 years, quickly becoming a staple for guests from all over the globe. And this is how we want to step away, with grace. In the coming months, until the end of the year, we’ll be hosting a series of top-tier events. No artist will miss the chance to celebrate one last sunrise in the club with us, no collective will skip the opportunity for one final gathering, and no guest will be denied the last chance for a memorable night at Watergate.

We especially would like to thank our guests, who from Berlin and around the world, were filling Watergate week after week with their diverse and enthusiastic energy. A club is especially made by its guests, and for over 22 years, we’ve had many, and now we invite them for one last dance at the Oberbaumbrücke. We’re looking forward to the upcoming events and our 22nd birthday celebration, which will kick off a series of high-profile Farewell Watergate events, carrying us all through the remaining months until the final closing on New Year’s Eve, alongside all our friends and residents.

We’re bowing out, and we’re doing it with style, because as they say:

The party is over – long live the party!

Quelle: http://water-gate.de/


Mehr zum Thema

Schreibe einen Kommentar